Ätzen in der Metallographie

Figure 20.1 shows the microstructure of cold-drawn zirconium viewed in cross-polarized light

Das Ätzen in der Metallographie umfasst alle Verfahren, die dazu dienen, bestimmte strukturelle Eigen-schaften eines Metalls darzustellen, die nach dem Polieren noch nicht sichtbar sind. Die Untersuchung einer optimal polierten Probe kann bestimmte Gefügemerkmale wie Porosität, Risse und nicht metalli-sche Einschlüsse aufzeigen.

Manche Bestandteile lassen sich sogar besser durch eine Bildanalyse vermessen, ohne dass die Probe geätzt wird, weil durch das Ätzen zusätzliche, störende Details sichtbar werden, die eine Analyse schwie-rig oder gar unmöglich werden lassen. Klassische Beispiele sind die Vermessung von Einschlüssen in Stäh-len und Graphit in Gusseisen. Einschlüsse sind aber in allen Metallen vorhanden, nicht nur in Stählen. Zahlreiche intermetallische Ausscheidungen und Nitride lassen sich sehr effektiv im polierten Zustand messen.

Bei bestimmten Nicht-Eisen-Legierungen mit nicht kubischem Kristallgefüge (wie z.B. Beryllium, Hafnium, Magnesium, Titan, Uran und Zirkon) können die Korngrößen im polierten Zustand mit Hilfe von polari-siertem Licht gut sichtbar gemacht werden. Abbildung 20.1 zeigt das Gefüge von kalt gezogenem Zirkon, betrachtet unter kreuzpolarisiertem Licht. Dieses Verfahren führt zu einer Kornfärbung, anders als bei einer “Korngrenzenätzung”, bei der nur die Korngrenzen dunkel sind.

Ätzverfahren in der Metallographie

Figure 20.2 Microstructure of low-carbon sheet steel etched with (a) 2% natal, (b) 4% picral; and (c) Beraha’s reagent at 100X.Die mikroskopische Untersuchung ist normalerweise auf eine maximale Vergrößerung von 1000X be-schränkt – das ist die ungefähre Einsatzgrenze eines Lichtmikroskops, sofern keine Öl-Immersionsobjektive verwendet werden. Zahlreiche Bildanalysesysteme nutzen Linsen mit einer Relaisoptik, die höhere Bild-schirmvergrößerungen ermöglichen, die die Erkennung feiner Strukturen vereinfachen. Trotzdem liegt die Auflösung bei einem Lichtmikroskop bei maximal 0,2 – 0,3 µm.

Durch die mikroskopische Betrachtung einer optimal präparierten Probe können strukturelle Eigenschaf-ten wie Korngröße, Segregation, sowie Form, Größe und Verteilung der Phasen und Einschlüsse deutlich dargestellt werden. Eine Untersuchung der Mikrostruktur zeigt vorherige mechanische Bearbeitungen oder Wärmebehandlungen des Metalls auf. Viele dieser mikrostrukturellen Eigenschaften werden ent-weder mit gängigen Bildanalyseverfahren gemessen, z.B. nach ASTM-Standards oder nach intern entwi-ckelten Verfahren.

Die metallographische Ätzung erfolgt durch Eintauchen oder Wischen (oder eine elektrolytische Behand-lung) unter Verwendung geeigneter chemischer Lösungen, die prinzipiell eine selektive Korrosion verur-sachen. Eine Wischätzung wird bei denjenigen Metallen und Legierungen bevorzugt, die unter der Ein-wirkung der Umgebungsbedingungen eine beständige Oxidschicht an der Oberfläche bilden, z.B. Edel-stähle, Aluminium, Nickel, Niob, Titan und deren Legierungen. Am besten sollten hierzu Tupfer in medi-zinischer Qualität verwendet werden, die keine Kratzer auf der Oberfläche hinterlassen. Die Dauer der Ätzung ist abhängig von der Konzentration des Ätzmittels und kann nur durch Erfahrung bestimmt wer-den. Im Allgemeinen sollte für eine Untersuchung unter hoher Vergrößerung die Tiefe der Ätzung gering sein; bei der Untersuchung mit niedrigen Vergrößerungen hingegen führt eine höhere Ätztiefe zu einem besseren Bildkontrast. Manche Ätzmittel ergeben selektive Ergebnisse, insofern als nur eine einzige Pha-se angegriffen oder gefärbt wird.

Selektives Ätzen

Figure 20.3. The ternary eutectic (α-Fe C-Fe P) in gray cast iron revealed by etching a) in picral and nital to “outline” the phases b) boiling alkaline sodium picrate to color the cementite. c) boiling Murakami’s reagent to color the phosphide (200X).Die Bildanalyse wird vereinfacht, wenn das gewählte Ätzmittel den Kontrast zwischen dem zu untersu-chenden Merkmal und sonstigen Merkmalen verbessert. Im Lauf der Jahre wurden Tausende von Ätzmit-teln entwickelt, aber nur wenige davon sind selektiv. Obwohl die Wahl des am besten geeigneten Ätz-mittels und dessen richtiger Einsatz so wichtig für die Bildanalyse sind, gibt es bisher nur wenige Veröf-fentlichungen, die sich mit diesem Problem befassen.

Ein klassisches Beispiel für das unterschiedliche Verhalten von Ätzmitteln findet sich in Abbildung 20.2, die ein Stahlblech mit geringem Kohlenstoffanteil zeigt, das mit den Standardätzmitteln Nital und Pikral geätzt wurde, sowie einer Farbätzung.

Eine Ätzung mit 3%igem Nital macht Ferritkorngrenzen und Zementit sichtbar. Zu beachten ist, dass viele der Ferritkorngrenzen fehlen oder nur schwach sichtbar sind; dies ist ein Problem, das die Präzision der Korngrößeneinstufen beeinträchtigt. Durch eine Ätzung mit 4%igem Pikral werden die Zementit-Anteile sichtbar (die Bezeichnung Perlit wäre hier aufgrund des zu wenig lamellenförmigen Aussehens nicht an-gebracht, und ein Teil des Zementits ist nur als einfache Korngrenzenschicht vorhanden); die Ferritkorn-grenzen werden jedoch nicht dargestellt. Wenn die Menge und Art des Zementits von Interesse ist (der die Formbarkeit beeinflussen kann), ist eine Ätzung mit Pikral der Ätzung mit Nital weit überlegen, da Pikral lediglich den Zementit sichtbar machte.

Tint etching with Beraha’s solution (Klemm’s I could also be used) colored the grains according to their crystallographic orientation. With the development of color image analyzers, this image can now be used quite effectively to provide accurate grain size measurements since all of the grains are colored.

Durch eine Farbätzung mit Beraha-Ätzmittel (Klemm I kann ebenfalls verwendet werden) werden die Körner entsprechend ihrer kristallographischen Ausrichtung gefärbt. Durch die Entwicklung von Farbbild-analysatoren kann ein solches Bild jetzt ziemlich effektiv für präzise Korngrößenmessungen eingesetzt werden, da alle Körner gefärbt sind.

Abbildung 20.3 zeigt ein etwas komplexeres Beispiel für eine selektive Ätzung. Die mikroskopische Auf-nahme zeigt ein ternäres Ferrit-Zementit-Eisenphosphid-Eutektikum in Grauguss.

Durch aufeinanderfolgendes Ätzen mit Pikral und Nital wurde das eutektische System sichtbar, siehe Abb. 20.3a, umgeben von Perlit. Durch Ätzen mit kochendem, alkalischem Natriumpikrat, siehe Abbildung 20.3b, wurde nur die Zementit-Phase einschließlich des umgebenden Perlits gefärbt (um den sehr fei-nen, heller gefärbten Zementit zu erkennen, ist eine höhere Vergrößerung erforderlich). Durch Ätzen mit kochendem Murakami-Reagens, siehe Abbildung 20.3c, wird das Eisenphosphid dunkel, und der Ze-mentit nach längerem Ätzen leicht gefärbt. Bei Verwendung von Klemm-I-Ätzmittel würde vorzugsweise der Ferrit gefärbt.

Selektive Ätzung wird häufig bei Edelstählen zum Nachweis sowie zur Identifikation und Vermessung von Delta-Ferrit, Ferrit in Dualphasen-Stahlsorten und Sigma-Phasen verwendet.

Abbildung 20.4 zeigt Beispiele für die Verwendung einiger beliebter Ätzmittel zur Darstellung des Gefü-ges von Dualphasen-Edelstahl im warmgewalzten und geglühten Zustand.

Abbildung 20.4a zeigt ein gut abgegrenztes Gefüge, wobei die Probe 30 Minuten in einer alkoholische 15%-ige Salzsäure eingetaucht wurde. Sämtliche Phasengrenzen zeichnen sich klar ab, aber Ferrit- und Austenitphase werden nicht differenziert. Zwillingsgrenzen im Austenit werden nicht dargestellt. Ätzmit-tel nach Vilella, ein Ätzmittel für Edelstähle, war für diese Stahlsorte nicht geeignet, siehe Abbildung 20.4b, da dieses Mittel sehr sensibel auf die Ausrichtung zu reagieren scheint.

 

Figure 20.4 Microstructure of a duplex stainless steel revealed using a) alcoholic 15% HCl by immersion (30 min.); and, with b) glyceregia by swabbing (2 min.) c) aqueous 60% HNO3 (1 V DC, 20 seconds); with d) aqueous 10% oxalic acid (6 V DC, 75 seconds); with e) aqueous 10% CrO3 (6 V DC, 30 seconds); and, with (f) aqueous 2% H2SO4 (5 V DC, 30 seconds) at 200X.

Zahlreiche Ätzmittel für die elektrolytische Ätzung wurden bereits zum Ätzen von Edelstählen eingesetzt, aber nur wenige haben selektive Eigenschaften. Von den vier in Abbildung 20.4c bis f gezeigten Mitteln führte nur die wässrige 60%ige Salpetersäure zu einer Unterscheidung der Phasen in verschiedenen Graustufen, wobei die Differenzierung nur schwach war.

Andererseits machten alle Ätzmittel die Phasengrenzen gut sichtbar. Zur Färbung von Ferrit in Dualpha-senstählen und Delta-Ferrit in martensitischen Stählen werden üblicherweise zwei elektrolytische Rea-genzien verwendet, siehe Abbildung 20.4g und h.

Von diesen beiden Ätzmitteln ergibt eine wässrige 15%ige Lösung von Natronlauge normalerweise eine gleichmäßigere Färbung des Ferrits siehe Abbildung 20.4g. Ätzmittel nach Murakami und nach Groesbeck wurden ebenfalls schon für diesen Zweck eingesetzt. Von Beraha wurden Farbätzmittel entwickelt, die die Ferritphase hervorragend färben, wie in Abbildung 20.4i zu sehen.

Selektive Ätzverfahren sind aber nicht auf eisenbasierte Legierungen beschränkt, obwohl solche Verfah-ren für diese Materialien schon besser entwickelt sind als bei anderen Legierungssystemen. Ein beliebtes Thema ist die selektive Ätzung der Beta-Phase in Alpha-Beta-Kupferlegierungen.

Das selektive Ätzen hat bereits eine lange Tradition bei der Identifizierung intermetallischer Phasen in Aluminiumlegierungen. Dieses Verfahren wurde bereits viele Jahre vor der Entwicklung der energiedis-persiven Spektroskopie entwickelt und ist auch heute noch nützlich für die Bildanalyse.

Abbildung 20.5 zeigt das Gefüge eines einfachen Schneidwerkzeugs aus gesinterte, WC-Co-Hartmetall. Im polierten Zustand, siehe Abbildung 20.5a, hebt sich das Kobalt-Bindemittel schwach von den graueren Wolframkarbidkörnern ab. Einige Graphitpartikel sind ebenfalls sichtbar.

In Abbildung 20.5b wurden durch leichtes Reliefpolieren die Konturen der Körner des Kobalt-Bindemittels hervorgehoben, aber für eine Bildanalyse ist dieses Bild nicht besonders nützlich.


Figure 20.4-b Selective coloring of ferrite in a duplex stainless steel by electrolytic etching with g) aqueous 20% NaOH (4V DC, 10 seconds) and with h) aqueous 10 N KOH, (3 V DC,4 seconds); and by immersion color etching i) with Beraha’s reagent (100mℓ water, 10mℓ HCl and 1g K2S2O5) at 200X.

Das Ätzen in einer Lösung aus mit Eisenchlorid gesättigter Salzsäure, siehe Abbildung 20.5c, greift den Kobalt an und sorgt für einen guten, gleichmäßigen Kontrast zur Messung der Kobalt-Bindemittelphase.

Durch die anschließende Verwendung von Murakami-Reagenz bei Raumtemperatur werden die Kanten der Wolframkarbid-Körner sichtbar, siehe Abbildung 20.5d, was für die Bestimmung der Korngröße des Wolframkarbids nützlich ist.

Elektrolytisches Ätzen und Eloxieren

Figure 20.5 Microstructure of WC-Co cutting tool: a) as-polished revealing graphite particles; b) relief polished revealing the cobalt binder phase; c) after immersion in Chaporova’s etch (HCl saturated with FeCl3) to attack and “darken” the cobalt; and, d) after (c) plus Murakami’s reagent to outline the WC grains (1000X).Das Verfahren beim elektrolytischen Ätzen ist prinzipiell das gleiche wie beim Elektropolieren, jedoch sind die Spannungen und Stromdichten wesentlich geringer. Die Probe dient als Anode und ein relativ unlösliches, aber leitfähiges Material, wie z.B. Edelstahl, Graphit oder Platin wird als Kathode verwendet. Für die meisten elektrolytischen Ätzverfahren wird eine Gleichstrom-Elektrolyse eingesetzt. Das elektro-lytische Ätzverfahren wird üblicherweise bei Edelstählen eingesetzt, entweder um Korngrenzen ohne Zwillingsgrenzen sichtbar zu machen oder zum Färben von Ferrit (wie gezeigt, siehe Abbildung 20.4i) bzw. Delta-Ferrit, Sigma- oder Chi-Phasen.

Eloxieren ist ein Begriff, der für elektrolytische Ätzmittel verwendet wird, die bei Betrachtung unter kreuzpolarisiertem Licht eine Kornfärbung entwickeln, wie dies z.B. bei Aluminium, Tantal, Titan, Wolf-ram, Uran, Vanadium und Zirkon der Fall ist.

Wärmefärben

Das Wärmefärbverfahren wird zwar weniger häufig eingesetzt, ist aber hervorragend geeignet, wenn es darum geht, einen Farbkontrast zwischen Bestandteilen oder Körnern zu erzielen. Eine nicht eingebette-te Probe wird mit der Oberseite nach oben bei einer bestimmten Temperatur in einen mit Luft be-schickten Ofen gelegt, und dort belassen, bis sich auf der Oberfläche eine Oxidschicht bildet.

Wie bei der Farbätzung entsteht durch Interferenzeffekte eine Färbung der Schichtdicken innerhalb ei-nes bestimmten Bereichs von 30 – 500 nm. Die entstehende Farbe ist von der Schichtdicke abhängig. Durch die Wärmeeinwirkung darf natürlich das Gefüge nicht verändert werden. Die optimale Tempera-tur muss durch Ausprobieren bestimmt werden, aber ansonsten ist das Verfahren reproduzierbar und zuverlässig.

Interferenzschichtenverfahren

Das von Pepperhoff 1960 vorgestellte Interferenzschichtenverfahren ist ein weiteres Verfahren zur Her-stellung einer Schicht über dem Gefüge, die durch Interferenzeffekte Farben erzeugt. Bei diesem Verfah-ren wird ein geeignetes Material auf die polierte Oberfläche der Probe aufgedampft, so dass eine wenig absorbierende, nicht leitende Schicht mit hohem Brechungsindex mit einer Dicke innerhalb des Interfe-renzbereichs entsteht.

Geringfügige Unterschiede des natürlichen Reflexionsvermögens zwischen den Bestandteilen und der Matrix können durch dieses Verfahren wesentlich verstärkt werden. Das Verfahren ist universell einsetz-bar, erfordert jedoch einen Vakuumverdampfer. Die größte Schwierigkeit besteht darin, eine große, gleichmäßig beschichtete Fläche zur Bildanalyse und Messung herzustellen.

Nützliche Tipps für das Ätzen

Viele Ätzmittel können sowohl zum Wischätzen als auch zum Tauchätzen verwendet werden. Wischen wird bei Proben bevorzugt, die in Luft ein dichtes, schützendes Oxid auf der Oberfläche bilden, wie z.B. Al, Ni, Cr, Edelstähle, Nb (Cb), Ti und Zr. Wenn aber das Ätzmittel eine Schicht bildet, wie dies bei Far-bätzmitteln der Fall ist, muss das Tauchverfahren gewählt werden, da sich diese Schicht bei der Wisch-technik nicht bildet. Das Keller-Reagenz macht die Korngröße bestimmter Aluminiumlegierung durch die Bildung einer Schicht sichtbar. Dies ist nicht der Fall, wenn das Ätzmittel durch Wischen aufgetragen wird.

Zahlreiche Ätzmittel und deren Inhaltsstoffe sind potentiell für den Anwender gesundheitsgefährdend. In der ASTM E 2014, Standardleitfaden für die Sicherheit in metallographischen Laboratorien, sind die häu-figsten Probleme und Methoden zu deren Vermeidung beschrieben.

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